Auf dem Trainingsplatz sagt Trainer Stephan seinem Torwart Tom, wo der Ball lang rollt – bei der Jugendsprache weiß Tom besser Bescheid: Ein „Freizeitkiller“ ist ein Streber, die „Emos“ nerven – und alle anderen sind „Lauchs“, zum Beispiel Stephan.
In vier Duellen lässt SPIEGEL ONLINE in dieser Woche Schüler und Erwachsene gemeinsam rätseln, was welches Jugendwort wohl bedeuten mag – den deutschen Meister im Poetry Slam und seinen ehemaligen Deutschlehrer – eine Oma und ihre Enkelin, heute tritt Torwart Tom vom Fußball-Club Eintracht Lokstedt aus Hamburg gegen seinen Trainer Stephan an. Außerplanmäßiges Trainingslager in Toms Küche. Torwart und Coach sitzen am Küchentisch, im Trainingsanzug, es kann losgehen. Übung Nummer eins: „Alter, die Knödelfee hat es echt voll hingewaffelt.“ Tom: Keine Ahnung, was das heißen soll. Stephan: Ich tippe, das heißt: „Mutter hat heute wieder gut gekocht.“ Tom: Glaube ich nicht.
SPIEGEL ONLINE: Eine andere Idee?
Stephan: „Knödeln“ kommt von Singen. Also: Ein Gesangstalent hatte seinen großen Auftritt. Tom: Wahrscheinlich heißt „hinwaffeln“ hinfallen.
SPIEGEL ONLINE: Richtig. Aber „Knödelfee“ ist eine dicke Frau. Weiter zur nächsten Station: „Die Himmelhenne schickt das Krampfadergeschwader aber ganz schön.“
Stephan: „Himmelhenne“ sagt mir nichts, aber ein „Krampfadergeschwader“ könnte eine Gruppe von älteren Damen sein. Hennen können ja nicht fliegen. Tom: Könnte ne Nonne sein. Stephan: Dann würde man bestimmt eher Pinguin sagen. Tom: Und was heißt „chicken“? Stephan: Du meinst „chicken“ kommt von Huhn?
SPIEGEL ONLINE: „Chicken“ heißt eigentlich „schicken“ und bedeutet stressen. Was fällt Euch dazu ein: „Siehst du die Duschlampe dahinten? Die mit dem Schlampenstempel? Genau, die mit der Panzerkette im Gesicht. Ich glaube, die hat sogar einen Ritzenflitzer an. Die ist vielleicht eine Netzhautpeitsche.“
Tom: „Schlampenstempel“ ist ganz eindeutig ein Arschgeweih. „Ritzenflitzer“ ist ein Tanga. „Netzhautpeitsche“ heißt, das Mädchen ist derbe hässlich. Stephan: Oder eine Augenweide.
SPIEGEL ONLINE: Tom hat recht. Und was bedeutet „Duschlampe“?
Tom: „Duschlampe“ muss man so betonen: „Du-Schlampe“. Damit könnte man ein Mädchen bezeichnen, das nervt. So wie die Emos.
SPIEGEL ONLINE: Was sind denn Emos?
Tom: Emos sind die Emotionalen. Die malen sich Tränen auf die Wange. Hier in Hamburg gibt es sogar einen Emo-Shop in der Europapassage. Stephan: Wir haben dazu früher Gruftis gesagt.
SPIEGEL ONLINE: Tom, wie nennst Du denn Mädchen, die nerven?
Tom: Biatsch. Stephan: Ach so, von Bitch. Ich nenne eine solche Frau Tussi, wenn sie tussig ist oder einfach nur blöd. Tom: „Tussi“ ist ein Alter-Mann-Begriff. Stephan: Ich sag auch gern Schnalle. Tom: Das ist ja noch schlimmer.
SPIEGEL ONLINE: Und was ist die „Panzerkette“?
Stephan: Eine Brille? Hängebacken? Tom: Könnte ne Zahnspange sein, die hat ja auch Glieder wie eine Kette.
SPIEGEL ONLINE: Ganz genau.
Stephan: Da wäre ich nicht drauf gekommen.
SPIEGEL ONLINE: Nächster Versuch: „Jaja, jetzt schieb mal keine Paras. Wir finden schon eine Schmetterbox für Dich.“
Tom: Paras – Kommt das von Paracetamol? Stephan: Eher von Paranoia. Tom: Bleib mal locker, könnte das heißen.
SPIEGEL ONLINE: Und Schmetterbox?
Stephan: Hat Schmettern vielleicht etwas mit Singen zu tun? Tom: Ich glaube nicht. Stephan: Box müsste irgendetwas Rechteckiges sein. Tom: Eine Toilette. Stephan: Da wäre ich schon wieder nicht drauf gekommen.
SPIEGEL ONLINE: Tom, was sagst Du sonst zu Toilette?
Tom: Toilette.
SPIEGEL ONLINE: Was sagt ihr hierzu: „Heute haben wir voll den Tabellenführer gecrosst. Da waren aber auch ein paar Vollpfosten dabei.“
Tom: Wir sind dem obersten Tier einer anderen Gang begegnet. Oder wir sind dem Coolsten aus unserer Hood begegnet. Und Vollpfosten sagen Lauchs.
SPIEGEL ONLINE: Bitte?
Tom: Uncoole Menschen. Stephan: Ich sage auch gern Vollpfosten zu Leuten, die keine Checkung haben. Dann bin ich also auch ein Lauch. Tom: Richtig.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit „crossen“ gemeint?
Tom: Vielleicht geht es um Battles zwischen Gangs. Stephan: Es könnte tatsächlich ein Konflikt im Spiel sein. In dem man jemanden austrickst oder vernichtet.
SPIEGEL ONLINE: So ungefähr. Es heißt „besiegen“. Und das? „Deine Ellis sind heute ein wenig anstrengend. Die sind den ganzen Abend im Klugscheißmodus. Es kann ja nicht jeder so ein Freizeitkiller sein wie du.“
Stephan: „Ellis“ sind bestimmt Freundinnen. Von Alliierte abgeleitet. Tom: Oder Ex-Freundinnen.
SPIEGEL ONLINE: Mit Ellis sind Eltern gemeint. Und was ist der „Klugscheißmodus“?
Stephan: Die Eltern versuchen, den ganzen Abend zu erziehen oder zu belehren.
SPIEGEL ONLINE: Und der Freizeitkiller?
Tom: Ein Langeweiler oder ein Streber. Stephan: Könnte auch ein vielbeschäftigter Typ sein.
SPIEGEL ONLINE: Streber ist richtig. Letzter Versuch: „Mit dem friedhofsblonden Komposti gehe ich doch keine Mafiatorte jammern. Der mit seiner Popelbremse ist ein echter Vollhorst. Und dann noch diese Ceranplatte.“
Tom: „Mafiatorte“ heißt natürlich Pizza. Stephan: „Jammern“ heißt essen. Mafiatorte ist auch ein alter Ausdruck. Tom: Ich weiß gar nicht, wer das sagt. Wir würden sagen: „Ich ziehe mir eine Pizza rein“ – aber nicht „jammern“.
SPIEGEL ONLINE: Was stellt ihr euch unter einem friedhofsblonden Komposti vor?
Stephan: „Komposti“ ist eine alternativ angehauchte Frau. Tom: „Friedhofsblond“ bedeutet „sehr blass“.
SPIEGEL ONLINE: Nein, eher „grauhaarig“. Was ist ein Vollhorst mit einer Popelbremse?
Stephan: Ein Idiot mit einem Schnauzbart. Tom: Ein Lauch.
SPIEGEL ONLINE: Und die Ceranplatte?
Stephan: Eine Glatze. Wenn jemand einen Haarkranz hat, spricht man auch gern von einer Fleischmütze. ____________________________________________________________________________________________________________________________
JUGENDSPRACH-DUELL 4
Personen: Torwart Tom Tholl vs. Co-Trainer Stephan Bartels, beide von Eintracht Lokstedt aus Hamburg Altersunterschied: 14 zu 40 = 26 Jahre Ort: In Toms Küche in Hamburg-Eppendorf Quintessenz: „Tussi ist ein Alter-Mann-Begriff“ (Tom) vs. „Früher haben wir ‚Gruftis‘ gesagt“ (Stephan)