Andrea Tholl

Journalistin

° Dasa Szekely: Gefühle zeigen

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Dasa Szekeley

Foto © Ariston Verlag

Coach Dasa Szekely beschäftigt sich mit menschlichen Gefühlen und hat dazu gerade ein Buch veröffentlicht. Im Interview spricht sie über schwache Männer, motzende Frauen und die Bedeutung von Gefühlen in unserer rationalen Welt.

myself.de: „Gefühlsinventur“ ist der Titel Ihres gerade erschienen Buches. Warum soll man sich ausgerechnet in dieser rationalen Welt mit Gefühlen beschäftigen?

Dasa Szekely:Der Gefühlsausdruck ist eine wesentliche Form der Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, sich nicht nur verbal, sondern auch emotional auszudrücken zu können. Wir Menschen sind mittlerweile alle sehr verkopft. Wir sagen „Darüber muss ich nachdenken“, aber nicht „Da muss ich mal nachfühlen“. Deshalb möchte ich der Anwalt der Gefühle sein.

 Sie fordern Ihre Leser auf, zwei Wochen lang täglich Formulare zu Frust, Stress, Erschöpfung oder Wut auszufüllen. Ist das nicht sehr langweilig?

Im Gegenteil! Ich bin ein großer Fan von Formularen, das macht die Beschäftigung mit sich selbst viel leichter. In meiner Arbeit als Coach hat sich das bewährt. Wenn Klienten leere Blätter voll schreiben sollten, taten sie das oft nicht. Aber die Formulare wurden ausgefüllt. Und ganz erstaunlich war, was an Erkenntnissen kam, wenn sie ihre Kreuzchen gemacht hatten. Wenig Aufwand, große Wirkung. Es geht einfach um ein paar Minuten Achtsamkeit jeden Tag.

Was bringt es mir, wenn ich auf einer Skala ablesen kann, wie wütend ich bin?

Man wird sich klarer über sich selbst, das Diffuse wird konkreter. Wir können nicht über Gefühle sprechen, die wir nicht spüren. Wenn ich meine Gefühle aber kenne, kann ich sie in Worte packen und an die adressieren, die sie verursachen. Dann ist die Chance da, dass der andere reagiert.

Ein Beispiel?

Ok, ein Klassiker. Die Frau ist wütend auf ihren Mann, weil der auch abends noch arbeitet. Sie aber will mehr Zeit mit ihm verbringen und läuft motzig durch die Gegend. Er jedoch weiß nicht, was los ist und wie er sie glücklich machen kann. Besser und fairer wäre es, wenn sie ihm sagen würde, dass sie wütend und enttäuscht ist, und dass sie gerne Zeit mit ihm verbringen würde. Darauf muss er reagieren. Voraussetzung ist jedoch, dass die Frau ihre Wut spürt. Viele Frauen lassen ihre Wut nicht zu und bagatellisieren.

Was macht eine Frau, die ihre Wut äußert, aber der Mann trotzdem nichts verändert?

Bei jedem Paar hängt es natürlich davon ab, wie lange sie schon zusammen sind und was in dieser Zeit passiert ist. Wie verbittert ist sie zum Beispiel, weil sie ihr eigenes Leben nicht richtig lebt und ihm zuliebe auf vieles verzichtet hat? Eine Möglichkeit wäre, zu handeln und sich Unterstützung in Form von Coaching oder Therapie zu suchen. Oder zum Mann zu sagen: Du reagierst nicht, wenn ich dich anspreche, wir haben ein Problem, lass uns Unterstützung holen. Auf jeden Fall ist es wichtig, die Thematik überhaupt anzusprechen, denn dadurch bekommt das Problem Brisanz. So sehen beide, dass Handlungsbedarf besteht. Wenn es so weiterläuft, kommt es über kurz oder lang zur Trennung.

Und hinterher weiß keiner so genau, warum.

Dann ist es einfach so passiert. Häufig kommt eine Trennung dadurch, dass das Paar nicht miteinander spricht und die Konflikte in sich rein frisst. Die beiden haben es vielleicht nie gelernt, weil ihre Eltern darin keine Vorbilder waren. Dazu kommt, dass der Mann in Sachen Kommunikation oft noch die Schulbank drücken muss – wobei es natürlich Ausnahmen gibt. Aber aus meiner Erfahrung ist eins der häufigsten Probleme zwischen Mann und Frau, dass sich – überzeichnet – die Frau den Mund fusselig redet und der Mann wie ein Auto guckt und nichts sagt. Er denkt: Sie wird sich schon wieder beruhigen, bei Mama war das auch immer so.

GefühlsinventurMänner hätten es also nötiger, Ihr Buch durchzuarbeiten. Nach dem rosafarbenen Cover zu urteilen richtet es sich aber doch wieder an die Frauen, die sich mit ihren Gefühlen beschäftigen sollen.

Umgekehrt würde es keinen Sinn machen, dafür steckt das Thema Gefühle bei Männern noch zu sehr in den Kinderschuhen. Es sind eher Frauen, die sich Unterstützung holen, weil sie kein Problem haben, Schwäche zu zeigen. Sie können sich emotional eher öffnen und zeigen, dass es ihnen nicht gut geht. In meine Coaching-Praxis kommen aber zum Glück auch viele Männer. Wenn sie merken, dass sie sich unkompliziert helfen lassen können, nehmen auch sie solche Angebote wahr.

Also ist immer noch kein Ende der klassischen Männer-Frauenrollen in Sicht?

Wenn man sich überlegt, wie viele Jahrhunderte die Rollen festgelegt waren, sind wir in den letzten Jahrzehnten schon weit gekommen. Aber natürlich sind wir sind noch nicht da, wo wir sein könnten. Es weicht aber auf: Immer mehr Männer wollen sich bewusst weiterentwickeln. Und Frauen sind fordernder geworden. Früher oblag es ihnen nicht, sich zu beklagen, heute äußern sie Unzufriedenheiten eher. So müssen Männer zusehen, dass sie mal ein bisschen sprechen.

Sie sagen, Veränderung beginnt mit Veränderung und empfehlen, den Tagesablauf zu ändern. Man soll das Neue täglich immer eine halbe Stunde zur gleichen Zeit tun. Warum muss alles mit dieser Regelmäßigkeit stattfinden?

Das Hirn ist sehr faul. Es kommt zwar immer sehr busy daher, macht aber am liebsten das, was es immer schon gemacht hat. Wenn man etwas ändern will, ist es hilfreich, sich das Bild einer Autobahn vorzustellen. Diese breite und viel befahrene Straße benutzt unser Gehirn immer. Dann entscheiden wir, etwas verändern zu wollen…

 … weil wir zum Beispiel durch ein Buch wie dem Ihren dazu inspiriert wurden.

Genau. Damit haben wir angefangen, uns am Rand der Autobahn mit einer Machete einen neuen Weg zu bahnen. Der ist aber dunkel, das Gelände ist unwegsam, man weiß nicht, was für Tiere unterwegs sind. Die Gefahr, doch lieber auf der bekannten Autobahn zu bleiben, weil wir die schon kennen, ist sehr groß.

Steht aber einer Veränderung vermutlich eher im Weg, oder?

Ja, denn wenn ich etwas verändern möchte, ist es gut, das Neue immer wieder zu tun. Um im Autobahn-Bild zu bleiben, die neue, noch unbekannte Straße weiter auszubauen. Dann erhält das Gehirn den Impuls: „Es ist jetzt immer so“. In der Regel braucht das Gehirn zwei bis drei Monate, sich auf eine neue Situation einzustellen.

Wie sportlich dürfen die Ziele sein?

Man sollte lieber klein anfangen, also das machen, was man realistisch schaffen kann. Das, was man sich vorgenommen hat, sollte man dann aber auch wirklich durchziehen. Fitness-Center verdienen sich dumm und dusselig, weil die Teilnehmer oft nicht länger als drei Monate durchhalten. Die leben von denen, die neue Verträge abschließen und nicht von denen, die dort trainieren. Um noch mal das Bild der neuen Straße zu bemühen: Man beginnt mit großem Enthusiasmus, übertreibt es dann und baut auch nachts an dieser neuen Straße herum, bis man völlig erschöpft ist. Irgendwann beginnt man die neue Straße zu hassen. Und biegt dann gar nicht mehr ab.

 Sie sind vor sechs Jahren von Ihrer Autobahn auf eine kleinere Straße abgebogen. Sie waren viele Jahre erfolgreiche Werbetexterin bei namhaften Agenturen, haben den Job aufgegeben und sich als Coach selbstständig gemacht. Wie kam es dazu?

Der Antrieb war eine Lebenskrise. Ich wollte nicht mehr in der Werbung arbeiten; mir fehlte der Sinn in dem, was ich tat. Meine Krise habe ich genutzt, um mich neu aufzustellen. Ich habe eine zweijährige Coaching-Ausbildung gemacht und danach noch eine in Transaktionsanalyse. Krisen bergen wirklich gigantische Wachstumschancen! Zwar geht es uns dann oft dreckig, aber wir lernen Neues über uns und können danach vieles besser machen. Es ist reinigend, ein ganz anderes Leben zu probieren, ich kann nur jeden dazu ermutigen! Natürlich war es auch schwer für mich, das glamouröse Werberleben an den Nagel zu hängen. Es hat sich aber gelohnt: Ich mache für andere Sinn, und das macht für mich Sinn. Jetzt bin ich zwar nicht reich, aber glücklich. Und das ist die Hauptsache.

Veröffentlicht bei myself.de


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